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Krempeln Telemedizin und KI die Augenoptik um?

von Christine Höckmann, 3. Februar 2022        


Werden Telemedizin und KI die Kompetenz von Augenoptiker*innen langfristig stärken oder schwächen – oder gar die Augenoptik komplett umkrempeln? Der Augenoptikermeister Klaus Keller (Schweinfurt) setzt erfolgreich auf eine Glasberatung auf der Basis von KI und berichtet im eyebizz-Interview von seinen Erfahrungen.

„KI ist ein Werkzeug, vergleichbar mit dem PD-Stab“

Fragen an Klaus Keller, selbstständiger Augenoptikermeister, Die Brille in Schweinfurt (gegr. 1978, 8 Mitarbeiter, 4 Räume – Verkauf, Prüfraum integriert, Werkstatt, Büro, auf der Fläche 120 m², Konkurrenz-Situation: 4 Ketten, 2 weitere Augenoptiker*innen am Ort). Keller bezeichnet sich nicht als Technik-Freak, allerdings von KI umgeben, wenn er an sein Handy oder die Navigation im Auto denkt. Alexa ist im Haus, aber vom Strom gestöpselt.

eyebizz: Herr Keller, Sie setzen bereits auf Screening inklusive Backup mit Augenärzten. Was war bislang Ihr spannendster Fall?

Klaus Keller: Eine Kundin wollte eine neue Brille. Nach Auffälligkeiten an den Blutgefäßen beim Augenhintergrund habe ich ihr den Besuch beim Hausarzt empfohlen. Sie wurde anschließend in der Uniklinik behandelt und so ein Schlaganfall verhindert. Hier beweisen wir uns als Gate-Keeper zum Vorteil der Kunden.

Seit wann betreiben Sie Screenings, seit wann in Verbindung mit KI und Backup-Ärzten?

Mit Screening beschäftige ich mich seit 2015. Wir verfolgten von Beginn an ein rundes Konzept, meiden aber den zu sperrigen Begriff ‚Optometrie‘. 2017 haben wir mit dem Screening im vorderen Augenabschnitt begonnen. Das Konzept bis zur Integration der Telemedizin über ein Partnerunternehmen ist über fünf Jahre gereift. Alles ist individuell erarbeitet. Der Beginn war Pandemie bedingt holprig, seit Herbst 2020 läuft es gut.

Nach und nach haben wir uns einen Gerätepark von Funduskamera, All-in-One-Refraktometer, 3D-Refraktionsgerät, passende Software und weitere Monitore angeschafft. Die Kosten belaufen sich auf rund 50.000 Euro. Aufwendig war, diese Technik erfolgreich zu verdrahten.

Letztlich steht aber nicht die Technik, sondern der Kunde im Mittelpunkt. Mit einer Beratungskarte durchlaufen wir seinen individuellen Tagesablauf, erfahren alles über seine Sehgewohnheiten und Lebenswelten. So bildet sich die Brücke per Storytelling zum Prüfraum. Die Software von RetinaLyze ist dabei nur ein Baustein. Das Gesamtkonzept findet sich unter der Dachmarke SmartSehManagement: Dazu gehören zwei eingetragene Markenzeichen VisuCare und das 3DSEHprofil, womit wir ein Alleinstellungsmerkmal haben.

Je nach Kundensituation sprechen wir vom trockenen Auge über Katarakt, Myopie-Management bis zur Diabetischen Retinopathie, altersgemäßer Makuladegenration (AMD) und Glaukom die häufigsten Baustellen an. In der täglichen Praxis läuft alles nach dem Prinzip: Wir empfehlen, der Kunde entscheidet im Zuge der Beratung, welche Screenings ihm wichtig sind.

Waren Sie von Beginn an überzeugt von dem Schritt Screening inklusive KI?

Der Bedarf für mehr Augengesundheit ist da. Betrachtet man die aktuelle Ärzteversorgung, so kommt man bei den Augenärzten auf ein Zeitfenster von zwei Minuten für unser wichtigstes Sinnesorgan. Die demografische Entwicklung und damit die Zahlen rund um Katarakte, AMD oder Diabetes sprechen für sich. Mit einem guten Konzept ist somit augenoptisches Screening eine Möglichkeit, sich innerhalb der Augenoptik erfolgreich zu positionieren.

Ein Vorteil der Einbindung von KI in die Ergebnismoderation ist, dass sie unabhängig von der Tagesform ist. Die Ergebnismoderation übernehmen wir. Diagnosen überlassen wir den Medizinern. Wobei wir mit allen Augenärzten vor Ort zusammenarbeiten. Je nach Ergebnis ist auch der Hausarzt Ansprechpartner für unsere Kunden. Eine weitere Option liegt in der Kommunikation mit dem Backup-Augenarzt von RetinaLyze.

Welches Fazit ziehen Sie?

Die Erfahrungen sind positiv. Es gibt allerdings auch Widerstände. Die beginnen mit dem transparenten Kostenfaktor: 49 Euro kostet unsere Visu-Care-Messung des Augenhintergrundes. Widerstände zur Bezahlung kommen häufig aus dem eigenen Haus. Die Resonanz beim Kunden ist tatsächlich gut! Er schätzt unser Umfeld, das ganz anders ist als beim Augenarzt. Es gibt einen Espresso, hier wird empathisch erklärt. Unser Optometrist erläutert zum Beispiel das Thema Dry Eye oder übernimmt das Myopie-Management.

Werden Drusen entdeckt, geht es in die Beratung rund ums Rauchen, Bewegung oder Ernährung. Augenhintergrund-Screening wird immer wichtiger. Die KI ist aber nur ein Werkzeug, nicht mehr als der PD-Stab.

Allerdings meldete sich auch ein Augenarzt bei uns, weil ihm nicht gefiel, dass unsere Kunden mit Fragen zu ihm kommen. Mittlerweile stören mich solche Einwände nicht mehr. Im Sinne von mehr Augengesundheit ist die Entwicklung für alle Beteiligten eine Chance: Für die Kunden, uns Augenoptiker*innen und für die Ärzte.



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